Hans-J. Schandl

(53 Jahre Diabetes)
Hans-J. Schandl

Im Jahr 1961, mitten im Studium, ereilte mich die Diagnose Diabetes. Unverzüglich wurde ich in eine Klinik eingewiesen und auf Insulin eingestellt. Auf viele Fragen hatte ich aber keine Antwort. Nach der Entlassung ging es zu der in der DDR üblichen Diabetikerberatung. Hier hatte ich das große Glück mit Prof. Dr. A. Dempe von einem erfahrenen Spezialisten betreut zu werden und mich allmählich mit dem Problem Diabetes vertraut zu machen. Die stationären Stoffwechseleinstellungen und Überprüfungen erfolgten in den 60er-Jahren im „Institut für Diabetes Karlsburg“. Es war das Leitinstitut in der Diabetesforschung für den gesamten „Ostblock“. Die Bedingungen hier waren sehr gut. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug im Normalfall 4 bis 5 Wochen. Eingestellt wurde auf das damals übliche, starre Therapieschema. Viel Wert wurde auch auf die Vermeidung von Folgeerkrankungen gelegt. Mit abschreckenden Beispielen wurde die Notwendigkeit einer disziplinierten Stoffwechselführung untermauert. Blutzuckertagesprofile gab es maximal zweimal die Woche. Die Harnzuckerkontrolle erfolgte durch Sammelurin rund um die Uhr. Der Kostaufbau erfolgte in der Reihenfolge: Hafertag—Obsttag—10 BE, dann allmählich ansteigend bis zum individuellen Bedarf.

Um der starren Therapieform im täglichen Leben möglichst gut gerecht zu werden, entschied ich mich für die berufliche Tätigkeit als Konstrukteur. Am Reißbrett konnte ich Mahlzeiten und Spritzzeiten in den meisten Fällen gut einhalten. Was etwas fehlte, war die mangelnde körperliche Bewegung bei dieser Tätigkeit. Im Jahre 1967 bekam ich die Mangelwirtschaft der DDR sehr deutlich zu spüren. In Karlsburg wurde ich auf meinen Wunsch hin auf ein dänisches Langzeitinsulin eingestellt, mit dem ich nur noch einmal am Tag spritzen musste. Der Stoffwechsel lief bei exakter Einhaltung der Diät optimal. Ich war glücklich über diese neue Einstellung.

Im darauffolgenden Jahr hatte ich mir einen Ferienplatz an der Ostsee erkämpft. Plötzlich kam die Mitteilung, dass ich das Importinsulin nicht mehr erhalte und mich in der Klinik wieder umstellen lassen müsste. Grund dafür waren mangelnde Devisen fürs Gesundheitswesen. Mein schwer erkämpfter Ostseeplatz wäre damit hinfällig gewesen. Die Verwandten aus dem „Westen“ wollten helfen, aber durften nicht. Arzneimitteleinfuhr auch mit Rezept bzw. ärztlicher Bestätigung war streng verboten. Zum Glück gab es Besucher, die den „Kurierdienst“ übernommen haben. Somit war der wertvolle Ostseeurlaub gerettet und anschließend ging es in die Klinik zur Umstellung. Die 30 Jahre in der DDR waren geprägt von einer sehr guten fachärztlichen Betreuung und Schulung und auf der anderen Seite von den Auswirkungen der Mangelwirtschaft. Gelegentliche Kuraufenthalte zur Stoffwechselüberprüfung waren auch begleitet von Überwachungen durch die Staatssicherheit. Alle Diabetiker, die verschreibungspflichtige Medikamente benötigten, waren gezwungen, spezialisierte Diabetikerberatungen aufzusuchen. Es war eine Zeit, in der man gelernt hat, sorgsam und sparsam mit Medikamenten und Verbrauchsmaterial umzugehen.

Mit der Wende kamen natürlich ein Menge Erleichterungen und Verbesserungen auf alle Diabetiker der DDR zu. Aber auch mehr Eigenverantwortung bei der Behandlung des Diabetes war gefordert. Ich hatte das Glück, weiterhin bei meinem bisherigen Diabetologen Dr. med. D. Barthel in Chemnitz bleiben zu können. Langsam zeigten sich bei mir aber erste Folgen des langjährigen Diabetes. Die konventionelle Therapie war nicht mehr ausreichend. Mir wurde nahegelegt, mich mit der Problematik „Insulinpumpe“ auseinanderzusetzen. Nach ärztlicher Beratung, Literatursichtung und mehrmaligen Besuchen einer Selbsthilfegruppe für Insulinpumpenträger, entschied ich mich im Jahr 2001 für die Pumpentherapie. In Karlsburg (immer noch eine Topadresse für Diabetiker) ließ ich mich auf die neue Therapie einstellen.

Die Einstellung erfolgte auf das Insulin Insuman-Infusat. Die Einstellung verlief problemlos und ich war froh, mich für die Pumpentherapie entschieden zu haben. Die Stoffwechsel- und Laborwerte besserten sich zusehends. Das einzige Problem war die Korrektur hoher BZ-Werte. Durch die Wirkdauer des Insulins kam es immer wieder zu Überschneidungen der Insulinwirkungen und damit zu „Hypos“. Die Korrektur mit Pen und Humalog war irgendwie umständlich. Mein Diabetologe empfahl deshalb die Umstellung auf Humalog. Die Umstellung erfolgte ambulant und war problemlos. Im Jahre 2009 war eine neue Insulinpumpe notwendig. Ich entschied mich für die Accu-Chek Aviva Combo. Diese Insulinpumpe ist wirklich eine sehr gute Lösung. Blutzuckermessgerät mit Bolusrechner, Tagebuchfunktion und Funkverbindung zur Insulinpumpe ist eine Lösung, die meinen Wünschen entspricht und den Anforderungen im Alltag voll gerecht wird. Eine besondere Bewährungsprobe hatte die Insulinpumpe in den letzten sechs Monaten. Die klinische Behandlung eines Erysipels mit Clindamycin 600 und Unacid PD zog eine Clostridienenteritis einschließlich zweier Rezidivs nach sich. Die drei Klinikaufenthalte waren in der akuten Phase die „Hölle“. Mit der Insulinpumpe konnte ich stoffwechselmäßig auf so ziemlich alles reagieren. War keine Essensaufnahme möglich und der Blutzucker war sehr tief, wurde einfach die Basalrate abgesenkt oder auf 0 gesetzt.

Wenn ich auf reichliche 52 Jahre Diabetes Typ 1 zurückblicke, kann ich sagen: der Diabetes hat mein Leben mit geprägt, aber niemals beherrscht.

Veröffentlicht: 2013

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