Christa Schölzel

(54 Jahre Diabetes)
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Im Februar 1970 erkrankte ich an Grippe. Ich war 30 Jahre alt, hatte zwei kleine Kinder und arbeitete als Lehrerin für Biologie und Chemie. Wir waren gerade in ein altes renovierungsbedürftiges Haus gezogen und hatten viel Arbeit. Die Grippe habe ich nicht ausgelegen und verschleppt.

Ich wurde immer schwächer, habe viel abgenommen und literweise Wasser getrunken. Im Mai bekam ich eine heftige Blasenentzündung. Damals war es üblich, dass man den Urin zur Untersuchung in einfachen Glasflaschen ins Labor brachte. Als ich mir den Befund abholte, sagte die Laborantin: „Das nächste Mal bringen Sie Ihren Urin in einer sauberen Flasche.“ Ich war sprachlos ob der Frechheit und bin gegangen.
Noch am Vormittag rief die Praxis in der Schule an und sagte, ich müsse sofort ins Krankenhaus, da meine Zuckerwerte zu schlecht seien.

Was nun? Meine zwei kleinen Kinder waren im Kindergarten und mein Mann arbeitete in Schwerin, etwa 40 km entfernt. Liebe Leute haben uns geholfen. Ich kam nach Ludwigslust ins Krankenhaus. In einen großen Saal mit 12 Betten. Völlig erschöpft, verzweifelt und ratlos. Ich habe viel geweint. Über Diabetes hatte ich bis dahin so gut wie nichts gehört. Eine ältere Ärztin kam zu mir und sagte: „Weinen Sie nur, es hilft nicht aber befreit. Wenn Sie Ihre Krankheit annehmen und die Regeln beachten, können Sie alt werden.“ Ich bin jetzt 84 Jahre alt.

Jetzt kam das nächste Problem: selbst spritzen. Nicht mit feinsten Kanülen und einem Pen, sondern mit Glaskolbenspritzen und 20er Kanülen, die oft stumpf waren. In den Oberarm oder Oberschenkel – für mich der blanke Horror. „Wenn Sie selbst spritzen können, werden Sie entlassen“, hieß es. Ich habe es schnell gelernt.

Zu Hause begann ein neuer Lebensabschnitt. Mein Mann hat mich von der ersten Minute an immer unterstützt. Wir beschlossen, unsere gesamte Ernährung für die ganze Familie auf Diabetikerkost umzustellen. Sie war gesund und vollwertig. Obst und Gemüse hatten wir im Garten und für mich war es einfacher so. Der Alltag nahm seinen Lauf.

Ich ging wieder zur Schule und alle 3-4 Wochen zur Urin- und Blutzuckerkontrolle ins Krankenhaus. Oft mit bangen Gefühlen, wie wohl die Werte waren. Alle 3 bis 4 Jahre gab es in der DDR für Diabetiker mit Typ I einen Kuraufenthalt zur Neueinstellung und Schulung. Die Schulungen waren sehr ausführlich und lehrreich. Ich zehre heute noch davon.

1981 kam ich mit einer schweren Unterzuckerung ins Krankenhaus. Ich habe lange gebraucht, bis ich wieder auf die Beine kam. Diese Erfahrung hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich keine weiteren schweren Unterzuckerungen mehr hatte.

Große Veränderungen kamen 1990 mit der Wende. Wir bekamen jetzt reines Insulin und ausgezeichnetes Spritzenmaterial. Aber jeder musste sich selbst darum kümmern, was vielen sehr schwerfiel, weil es für uns ganz neu war.

Die größte und schönste Veränderung war für mich, dass ich endlich meinen Blutzucker selbst bestimmen konnte. Jetzt sogar schmerzfrei. Ich kann jetzt essen, wann und was ich will. Die KE-Einheiten kann ich auf Grund meiner langen Erfahrung gut einschätzen und die BZ-Werte habe ich ständig vor Augen. So kann ich schnell reagieren und korrigieren. Zum Glück habe ich nur geringe diabetische Folgeerkrankungen. Trotz einiger Alterserkrankungen und Beschwerden geht es mir noch relativ gut und ich habe immer noch Freude am Leben.

Ich wohne immer noch mit meinem Mann, unseren Kindern und meinem Diabetes in unserem jetzt schönen Haus.

Christa Schölzel, geb. am 31.12.1940

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