Horst Lommler

(76 Jahre Diabetes)
Horst Lommler

Im September 1941 wurde bei mir (geb. 03.12.1938) und meiner Schwester (geb. 08.02.1940), nach der Keuchhusten-Impfung, Diabetes in der Uniklinik Gießen diagnostiziert (ich war im Koma). Unsere Mutter (Vater an Front, später vermisst) wurde über das Injizieren von Insulin aufgeklärt, Ernährung, Essenszeiten, Messen von Harnzucker, Behandlung bei Über- und Unterzucker…. Devise: Nichts Süßes, wenig Kohlenhydrate, viel Eiweiß, viel Fett (bis in die 1950er Jahre), viel Gemüse, Salat , Obst. Die Blutzucker-Kontrolle war viele Jahre nur in Krankenhauslaboren möglich. Meiner Mutter wurde wenig Hoffnung gemacht bzgl. der Lebenserwartung, Schule, Beruf, Alter.
An Insulinen erhielt ich Depot vom Rind, später Schwein, Kombi-Insulin – mit Glaskolbenspritzen (lange Nadeln) injiziert. Alle zwei bis drei Jahre erfolgte eine Neueinstellung und Schulung in verschiedenen Krankenhäusern / Kliniken bis 1999 (1960-1999 C. v. Noorden-Klinik, Frankfurt). Ab 1999 erhielt ich ICT + Schulung, Injektionen Bolus-, Basal-Analog-Insuline.

Meine schulische Laufbahn: 1945 Grund- und Realschule bis Mittlere Reife 1956, Ausbildung zum Maschinenbau-Techniker bis 1959. Berufstätig war ich bis 1996 (betriebsbedingter Vorruhestand). Fast 40 Jahre verbrachte ich in überwiegend technischer Leitung in einer mittelgroßen Maschinenfabrik. Zu meinen dortigen Aktivitäten gehörten 1965-1985 auch Kundenbesuche in ganz Europa und Übersee mit z.T. mehreren Stunden Zeitverschiebung (anfangs ohne BZ-Messmöglichkeit). Mir kam zugute Unter- und Überzuckerungen relativ gut wahrnehmen und korrigieren zu können (bewusstlos durch Unterzucker war ich nur sehr selten im Kindes- und frühen Jugendalter, im Koma nicht mehr).

1962 habe ich geheiratet. Wir haben zwei Töchter, fünf Enkel- und zwei Urenkel (alle bis jetzt ohne Diabetes). Seit 1970 bis heute gehe ich ehrenamtlichen Tätigkeiten im Bereich Kirche nach und seit vier Jahren engagiere ich mich in der Flüchtlingshilfe. Mit meiner Frau singe ich seit 60 Jahren noch gerne regelmäßig in Kirchenchören.

Wir konnten gemeinsam viele Urlaube erleben (Mittelmeer, Atlantikinseln, Brasilien, Israel, 13mal Dolomiten-Urlaube (mit Bergwandern, -steigen), oft Nordseeurlaube mit den Kindern. Ich fahre seit über 55 Jahren bis heute mit eigenem Pkw zum Teil noch längere Strecken (400-500 km).

Sportlich war ich nie aktiv (wahrscheinlich wegen Befreiung von Sportunterricht in der Schule wegen Hypogefahr).

Ich könnte rückblickend noch Einiges berichten über z.B. die Insulinentwicklung und Beschaffung in Zeiten des Krieges, Spritzen, BZ-Messungen, Schulungen, Tagebuchführung (seit 1970) etc.

Bis heute bin ich ohne gravierende Diabetes-bedingte Folgeschäden (Augen, Nieren, Herz, Blutdruck, Durchblutung, Beweglichkeit) Ich unterziehe mich der vierteljährlichen Kontrolle im DMP und habe seit Jahren einen HbA1c-Wert von 6,6 % +/- 0,2.

Meine Schwester (verheiratet, einen Sohn ohne Diabetes) verstarb 2007 nach 66 Jahren Diabetes an Herzversagen. Dass es mir (fast 80-jährig) mit 77 Jahren Diabetes noch so gut geht, verdanke ich in erster Linie unserem Schöpfer, der Kinderärztin der Uniklinik Gießen 1941, meiner verstorbenen Mutter, meiner Ehefrau, vielen Fachärzten (besonders der ehem. C. Von Noordenklinik Frankfurt/Main 1960-99), Hausärzten, Diabetes-Forschern, Entwicklung neuer Insuline, Spritzen, BZ-Messgeräte, der Mitgliedschaft im Deutschen Diabetiker-Bund und Fachzeitschriften, z.B. Diabetes-Journal und Internet-Infos etc.

Veröffentlicht: 2018

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