Als Ottilie Fritsch 6 Jahre alt war, bekam sie unendlichen Durst. Literweise trank sie Wasser und wurde nachts sogar erfinderisch, um ihren Durst zu stillen: Sie nahm den Schlauch, der als Verlängerung am Wasserhahn des Waschbeckens angebracht war, einfach in den Mund und schlief auf der Toilette weiter. Das Wasser lief quasi oben in die kleine Ottilie rein und unten wieder raus. Gestillt wurde der Durst trotzdem nicht.
Ottilie wuchs auf einem kleinen Bauernhof auf, wo alle mithelfen mussten. Eines Tages war Ottilie aber aufgrund ihres Durstes und ihrer Müdigkeit nicht mehr in der Lage, bei der Kartoffelernte zu helfen, sie schlief einfach in der Diele des Hauses ein. Ihre Mutter schimpfte, sie wäre ein faules Kind. Da ahnte sie noch nicht, dass ihre Tochter an Diabetes Typ 1 erkrankt war.
Nachdem Ottilie durch das permanente Ausscheiden von Zucker einen extremen Juckreiz in den Genitalien aufwies, kam letztendlich ihre Oma auf die Idee, Ottilie könne „Zucker“ haben. Sie kannte derartige Erzählungen aus der Arztpraxis, in der sie arbeitete. Kurze Zeit später bestätigte ein Arzt Ottilie und ihren Eltern die Typ-1-Diabetes-Diagnose. Ab dem Krankenhausaufenthalt, in dem Ottilie auf Insulin eingestellt wurde, musste Ottilie ihr Diabetesmanagement immer selber regeln. Ihre Mutter brachte es nicht übers Herz, ihrer Tochter Insulin mit einer damals noch riesigen Spritze zu verabreichen.
Blutzucker-Messungen gab es damals nur alle 6 Wochen. Ottilies Blutzucker war niemals unter 250 mg/dl, meistens sogar über 350 mg/dl. Der Arzt mahnte, dass ihre Füße amputiert, ihre Nieren kaputt gehen und sie blind werden würde, wenn sie weiter so mit der Ernährung sündigen würde. Ihre große Sünde war morgens ein halbes Brot mit Schinken, mittags zwei kleine Kartoffel und ein Fisch-Filet mit viel Endiviensalat und abends eine Scheibe Brot mit magerer „Hirnwurst“, ab und zu ein Ei. Ottilie verstand die Welt nicht mehr, hatte aber unendliche Angst vor den potenziellen Folgerkrankungen, die ihr der Arzt androhte.
Eines Tages erzählte ihre Schwester von einen Diabetespapst aus München, der ihr sicher helfen könnte. Da ihr ihre Krankenkasse die Überweisung verweigerte, führte Ottilie bewusst mehrmals Unterzuckerungen herbei. Nach gehäuften Notarzteinsätzen bekam sie endlich eine Einweisung ins Schwabinger Krankenhaus.
Dieser Diabetespapst, Prof. Dr. Hellmut Mehnert, war Ottilies Rettung. Er schaffte es, dass sie begann, sich für ihren Diabetes zu interessieren, ihn zu managen und mit ihm zu leben.
Bei einem späteren Krankenhausaufenthalt lernte sie Frau Dr. Barbara Kraus kennen, die ebenfalls von Diabetes betroffen war und mit deren Hilfe sie es schaffte, 1983 einen Sohn gesund zur Welt zu bringen. Frau Kraus schlug Ottilie Fritsch vor, ihr Wissen über Diabetes in ihrer Region weitergeben. So begann für Ottilie Fritsch das Engagement in der Selbsthilfe, mittlerweile seit über 30 Jahren im Deutschen Diabetiker Bund Bayern. Ottilie Fritsch ist sich sicher, ohne Prof. Mehnert, nach dem die Medaille benannt ist, und Dr. Kraus hätte sie keine 56 Jahre Typ-1-Diabetes so unbeschadet überlebt.
Herzlichen Glückwunsch, Ottilie Fritsch!